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„Wir können eine Menge auf die Beine stellen“

Ein Interview mit Aktiven der Bürgerinitiative Bärendelle in Essen Frohnhausen

Im Sommer 2013 wurde in Essen Frohnhausen eine lange leerstehendes denkmalgeschützte Schulgebäude besetzt und nach wenigen Tagen geräumt. Die Besetzung hatte in der Nachbarschaft die Aufmerksamkeit auf den Leerstand gelenkt und Ideen für eine nachbarschaftliche soziokulturelle Nutzung freigesetzt. Wenig später gründete sich die Bürgerinitiative Bärendelle, die seither für den Erhalt und die Nutzung des Gebäudes kämpft. Die Initiative hat es geschafft die Forderung als ernsthaftes Anliegen in die Öffentlichkeit und Lokalpolitik zu bringen. Anfang 2015 kam dann die Willensbekundung, der Stadt Essen und der Stiftung „Mein Wohnen“ einen guten Teil zur soziokulturellen Nutzung freizugeben. Zuletzt hat die Initiative jedoch öffentlich gemacht, dass das Gebäude nun zusehens verfällt und hat sich mit einem offenen Brief an die Stadtverwaltung gewandt. Im Interview erzählen sie, wie es nun weitergeht.

Ihr habt vor 2 Jahren mit eurer Forderung der nachbarschaftlichen Nutzung der Bärendelle einen Teilerfolg erzielt und immer wieder mit Anfragen und Konzepten vorgelegt. Eine wirkliche Beteiligung eurer Initiative wurde immer wieder ausgesessen und jetzt scheint gar nichts mehr zu passieren, das Gebäude verfällt. Wie schätzt ihr das ein? Gab es vielleicht gar kein ernsthaftes Inrteresse an der Renovierung des Gebäudes?

Aktuell haben wir erfahren – übrigens erst aus der Zeitung! – dass der Investor seit Oktober 2017 eine Baugenehmigung hat. Wir können noch nicht einschätzen, ob und wie das Gebäude umgebaut wird. Angeblich sollen die Bauarbeiten im Frühjahr beginnen. Um das wirklich beurteilen zu können, müssen wir das abwarten. Es wäre jedenfalls keine neue Erfahrung, wenn plötzlich der Denkmalschutz aufgehoben würde und sich dem Investor damit völlig neue Möglichkeiten erschließen. Und ob der Investor nach wie vor das Geld in die Hand nehmen möchte oder kann, wissen wir auch nicht. Im Juli 2016 wurde noch von einer Investitionssumme von 10 Millionen Euro gesprochen. Durch Preissteigerungen bzw. Ausfall erwarteter Mieten sieht das heute wahrscheinlich schon anders aus, das wird voraussichtlich teurer.

Auf eurer Homepage schreibt ihr: „Viele Nachbarn vermuten, dass gewartet werden soll, bis nur noch ein Abriss des Baudenkmals möglich ist.“ Welche Möglichkeiten seht ihr jetzt konkret Druck auszuüben, um das zu verhindern?

Wir können uns auf unsere 280 Mitglieder und die vielen Freundinnen und Freunde der Bärendelle verlassen. Die werden wir im Fall der Fälle mobilisieren. Wir können – auch im Stadtteil und darüber hinaus – schon eine ganze Menge auf die Beine stellen. Wie wir das dann konkret tun werden, müssen wir dann entscheiden. Auf jeden Fall ist Öffentlichkeit eine ganz wichtige Sache.

Nach den Erfolgen der jahrelangen Kämpfe, ist die aktuelle Situation ein herber Rückschlag für die Initiative. Wie ist die Stimmung bei euch?

Sehr gemischt. Auf der einen Seite sind wir Realisten und erleben immer wieder, wie in dieser Stadt mit Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, wie mit Menschen umgegangen wird. Die Bärendelle ist da nur ein Beispiel. Auf der anderen Seite ist es natürlich bitter, das erleben zu müssen, nach viereinhalb Jahren Aktivitäten. Uns war von Anfang an klar, dass wir einen langen Atem brauchen und da müssen wir jetzt noch mal ganz tief Luft holen. Dabei wird viel Energie freigesetzt…

Die konkrete Nutzung des Gebäudes stünde ja sowieso erst in unbestimmter Zukunft aus. Ihr habt bisher auch nicht einfach gewartet und eine Menge Aktivitäten organisiert, um die Nachbarschaft zu mobilisieren und ein soziales Netzwerk aufzubauen. Meint ihr, dieser Zusammenhalt wird auch erhalten, wenn die die Idee des soziokulturellen Nachbarschaftszentrums wieder in die Ferne rückt? Oder sind räumlich sogar auch Alternativen denkbar?

Wir haben zum Beispiel durch unsere Veranstaltung „Frohnhauser Sommerkult[o]ur“ 2016 und 2017 viele positive Erfahrungen im Stadtteil gesammelt, Die Sommerkult[o]ur hat das Ziel, Kultur für alle und für die Besucher*innen kostenlos in den Stadtteil zu bringen. So fanden 2017 sieben Veranstaltungen parallel und gleichzeitig an sieben Orten in Frohnhausen statt. Die Rückmeldungen auf diese Veranstaltungen waren entsprechend gut. Da sehen wir deutlich einen Zusammenhalt. Und räumlich gibt es Alternativen, wie auch immer die aussehen. Aber im Moment kämpfen wir noch für die Bärendelle!

BILD: SCHULE AN DER BÄRENDELLE NÄHE WESTPARK, ESSEN.