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Vergesellschaftung als Alternative denkbar machen

Eine von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene aktuelle Studie hat ermittelt, dass fast zwei Millionen bezahlbare Wohnungen in deutschen Großstädten fehlen. Das Rechercheportal CORRECTIV hat die Zahlen für das Ruhrgebiet ausgewertet. Demnach gibt es hier eine Versorgungslücke von 200 000 bezahlbaren Wohnungen. Davon betroffen sind gerade Geringverdiener*innen und Alleinstehende. 2014 hatte die damalige NRW-Landesregierung die Ruhrgebietsstädte von der Mietpreisbremse ausgeschlossen, weil der Wohnungsmarkt hier „entspannt“ sei. Die Zahlen in der Studie zeigen, dass dies durchaus nicht in allen Städten der Fall ist. Nun ist das Ruhrgebiet nicht Berlin, wo laut Studie mehr als 300.000 Wohnungen fehlen. Trotzdem lohnt ein Blick in die Broschüre der Interventionistischen Linken Berlin mit dem Titel das „Das Rote Berlin“ in der Lösungen für den Wohnungsmangel dort vorgeschlagen werden.

Es werden darin nicht nur Forderungen aufgelistet sondern konkrete Entwicklungsschritte und mögliche Strategien skizziert. Der Titel bezieht sich auf das „Rote Wien“: Zwischen 1918 und 1934 wurde in Wien durch städtische Wohnprojekte und Reformen in der Bildungs- und Gesundheitspolitik die soziale Situation erheblich verbessert. Möglich wurde dies durch eine Finanzpolitik, die laufende Ausgaben und Investitionen aus den laufenden (auch neu eingeführten) Steuereinnahmen deckte – mit dem Ziel sich nicht von Banken oder privaten Investoren abhängig zu machen.

„Das Rote Berlin“ beginnt mit einer Kritik an Wohneigentum. Forderungen nach einer Lösung der Wohnungsfrage durch private Investor*innen werden darin abgelehnt, denn diese profitieren von einem überhitzen Immobilien- und Wohnungsmarkt, da dieser höhere Gewinne verspricht. An Lösungen sind sie also gar nicht interessiert.

Die Analyse der Verhältnisse, wie sie in der Broschüre vorgelegt wird, hört nicht an den Grenzen Berlins auf, die Forderungen beginnen mit Regelungen auf Bundesebene. Sie setzen dort an, wo sich durch fehlende Gesetze die Kapitalakkumulation bisher frei entfalten kann und bauen die weiteren Schritte darauf auf. Zentral ist dabei die Vergesellschaftung von Wohnungen und Immobilien. Die öffentlichen Wohnungsbetriebe sollen demokratisiert und durch Mieter*innen-Räte selbstverwaltet werden, um eine Bevormundung von staatlicher Seite zu verhindern.

Die Broschüre gibt einige Strategien zur Umsetzung der Schritte an die Hand, mit denen das Ziel der solidarischen Stadt konkret erreicht werden soll. Als Grundlage dafür wird die gemeinsame Basisarbeit mit Mieter*innen gesehen. Denn das Ziel ist keine Verstaatlichung sondern eine Vergesellschaftung, die den Mieter*innen zugute kommt.

Das Strategiepapier ist deshalb so stark, weil es eine Alternative denkbar macht. Die Forderungen sind vielleicht nicht in naher Zukunft umsetzbar, schaffen aber erstmal ein Gegenbild zu den üblichen Lösungen. Und das ist nicht nicht nur für Berlin relevant sondern auch für das Ruhrgebiet, denn 200.000 fehlende bezahlbare Wohnungen sind wahrscheinlich erst der Anfang.

Auf der Homepage der Interventionistischen Linken Berlin finden sich neben der Broschüre auch hörenswerte Mitschnitte der Veranstaltungen aus der gleichnamigen Diskussionsreihe.